Der Mikronährstoff Ubiquinol spielt eine wichtige Rolle beim Altern. Studien zeigen, welchen Nutzen er bei der Prävention altersbedingter Erkrankungen haben kann.
Auf der südjapanischen Inselgruppe Okinawa leben mehr 100-Jährige als irgendwo sonst auf der Welt. Über 900 der 1,3 Millionen Menschen dort sind einhundert Jahre und älter – ein Wert, der selbst unter Japanern einzigartig ist, die im globalen Vergleich eine überdurchschnittliche Lebenserwartung haben. Prognosen (1) zufolge wird Japans Alterungsrate im Jahr 2060 auf 40% ansteigen (das Verhältnis der Anzahl von Menschen im Alter von 65 oder höher zur Anzahl derer im Alter von 15 bis 64). Auch in der EU wird sich dieser Wert bis zum Jahr 2060 von 27,8% auf etwa 50% erhöhen (2). Mit dem „Best Ager“-Boom wächst auch der Wunsch nach mehr Lebensqualität im Alter. Unter diesem Blickwinkel rückt der Mikronährstoff Ubiquinol zunehmend in den Fokus von Wissenschaft und Forschung. Die bioaktive Form von Coenzym Q10 offenbart in verschiedenen Studien ihre Anti-Aging-Eigenschaften.
Energielieferant
In der Atmungskette der Mitochondrien sind das oxidierte Coenzym Q10 und das reduzierte Ubiquinol unverzichtbare Elektronenüberträger zur Herstellung von Adenosintriphosphat (ATP). Mehr als 95 Prozent der Energie wird mit Hilfe von Ubiquinol freigesetzt. Organe wie Herz, Gehirn und die Muskulatur benötigen viel Energie und sind daher auf große Mengen Ubiquinol angewiesen. Fehlt der Mikronährstoff, ist die zelluläre Energiegewinnung beeinträchtigt. Ein Mangel kann sich in verschiedenen Beschwerden wie verminderter Ausdauer, Müdigkeit, Muskelproblemen, geschwächter Immunabwehr sowie in beschleunigten Alterungsprozessen äußern.
Der Körper kann Ubiquinol zwar selbst herstellen, doch mit zunehmendem Alter, ab etwa 30 Jahren, und bedingt durch Krankheiten oder Medikamente sinkt die Produktion. Über die normale Ernährung können im Schnitt nur zehn Prozent (3) des täglichen Bedarfs abgedeckt werden – für eine ausreichende Versorgung müsste man zum Beispiel 60 Avocados pro Tag essen. Daher bietet sich eine Nahrungsergänzung an. Zur Supplementation ist Ubiquinol besser geeignet als Coenzym Q10, denn es muss vom Körper nicht erst umgewandelt werden und kann zwei- bis viermal besser absorbiert werden (4;5).
Verbesserung der Lebensqualität
Ähnlich wie die Inselgruppe Okinawa ist auch Kamijima, 700 km westlich von Tokio, eine Hochburg der „Super-Alten“. Laut Zensus betrug die Alterungsrate 2010 hier 37,7%. Die Stadt wurde für eine Langzeitstudie (6) über die Wirkung von Ubiquinol als Anti-Aging-Supplement ausgewählt; 124 Einwohner (Alter 22-86 Jahre) nahmen daran teil. Jeder von ihnen erhielt täglich 100-120 mg Ubiquinol entweder über einen Zeitraum von sechs oder zwölf Monaten. Jeweils zu Beginn und am Ende der Studie bestimmten die Wissenschaftler den Ubiquinol-Spiegel im Blutserum sowie die subjektive Lebensqualität der Teilnehmer (anhand des Fragebogen-basierten QOL-Scores).
Das Ergebnis: Bei den Frauen erhöhten sich die Werte für Vitalität, körperliche Rollenfunktion, soziale Funktionsfähigkeit und mentale Gesundheit signifikant. Insbesondere bei den Teilnehmerinnen mit niedrigen und mittleren Ubiquinol-Spiegeln verbesserten sich die psychischen QOL-Scores deutlich. Bei den Männern hingegen konnten keine signifikanten Änderungen festgestellt werden, was unter anderem an ihren bereits zu Beginn der Untersuchung hohen Ubiquinol-Spiegeln und QOL-Scores liegen könnte.
Die meisten Studien dieser Art wurden an Personen mit Vorerkrankungen durchgeführt. Diese aktuelle Studie ist der erste großangelegte Langzeitversuch an Mitgliedern einer Gemeinde, der die Wirkung von Ubiquinol auf die Lebensqualität gesunder Menschen untersucht. Solche Untersuchungen werden zukünftig noch an Bedeutung gewinnen, wenn es darum geht, präventive Strategien zu entwickeln.
Ubiquinol als Antioxidanz
Neben seiner Rolle als Energielieferant ist Ubiquinol auch das einzige im Körper hergestellte fettlösliche Antioxidans. Es trägt zur Elastizität der Zellmembranen bei und schützt sie vor Schäden durch freie Radikale. Innerhalb der inneren Mitochondrienmembran ist dieser Schutz besonders wichtig, denn während der Energieproduktion treten hier viele reaktive Sauerstoffverbindungen auf. Bei der Alterung und der Entstehung zahlreicher Krankheiten spielen die Akkumulation oxidativer Schäden und Mitochondrienstörungen eine zentrale Rolle.
Alterungsprozessen entgegenwirken
Mitochondrialer oxidativer Stress, der bestimmte Gene triggert, scheint auch an der Entstehung von Altersschwerhörigkeit beteiligt zu sein. Diese durch physiologische Alterungsprozesse auftretende Verschlechterung des Hörvermögens ist ein guter Indikator für das Altern. Laut Deutschem Schwerhörigenbund e.V. ist in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen etwa jeder Dritte hörgeschädigt. Bei Personen über 70 ist es sogar jeder Zweite. Oxidative Schäden können über verschiedene biochemische Regelkreise zu einem Absterben der Haarzellen in den Ohren führen.
Die antioxidativen Eigenschaften von Ubiquinol dienen Wissenschaftlern der japanischen Shinshu-Universität in Nagano als Basis für ihre Untersuchungen. Sie erforschen den menschlichen Alterungsprozess und die Wirkung von Ubiquinol auf altersbedingte Stoffwechselvorgänge. Die Alterung höher entwickelter Organismen ist ein komplexer Vorgang und vom Zusammenspiel genetischer, umweltbedingter und pathologischer Faktoren abhängig. Mit einem eigens entwickelten Testmodell können die Wissenschaftler den Alterungsprozess studieren und schnell zu Ergebnissen kommen, die für den Menschen nutzbar sind.
Sie fanden heraus, dass Ubiquinol die Mitochondrienfunktion durch erhöhte Genexpression bestimmter Sirtuine (SIRT1 und SIRT3) und intrazellulärer Rezeptoren (PGC-1a) verbessern kann (7). Diese verlangsamen das Fortschreiten der Alterung und altersbedingter Schwerhörigkeit. Zudem beeinflusste der Mikronährstoff die altersbedingte Abnahme der Mitochondrienfunktion und -zahl positiv. Nach vergleichender Gabe von Placebo, Coenzym Q10 und Ubiquinol wurde darüber hinaus festgestellt, dass die Wirkung von Ubiquinol am besten war: Die Supplementation führte bei den Forschungsstämmen zu einer signifikanten Abnahme des Vergreisungsgrades und der Seneszenz im mittleren Alter (8). Coenzym Q10 wirkte weniger stark als Ubiquinol. Diese Ergebnisse entsprechen denen einer spanischen Forschergruppe, die gezeigt hat, dass Ubiquinol besser bioverfügbar ist und besser von den Geweben aufgenommen werden kann als oxidiertes Coenzym Q10 (9).
Einfluss auf Nerven und Augen
Auch im Hinblick auf kognitive Funktionen liefert Ubiquinol sehr vielversprechende Resultate: Es kann das Gedächtnis und die Lernfähigkeit verbessern und so sogar das Fortschreiten von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson (10) oder Alzheimer (11) im Anfangsstadium verzögern. Darüber hinaus ist der Mikronährstoff wichtig für die Augengesundheit (12). Die Retina ist sehr anfällig für freie Radikale und enthält daher große Mengen an Antioxidanzien wie Vitamin C und E. Hier regeneriert Ubiquinol die Vitamine und schützt die Netzhaut vor Oxidation und Glykierung.
Ausblick
Um die Befunde zu bestätigen und daraus Therapieempfehlungen sowie neue Behandlungsmöglichkeiten abzuleiten, sind weitere Untersuchungen mit einer größeren Teilnehmerzahl und Langzeitstudien notwendig. Vorläufig lässt sich jedoch sagen, dass die vorbeugende Einnahme von Ubiquinol ab etwa 30 Jahren sinnvoll ist. Zudem ist der natürliche Mikronährstoff sehr gut erforscht und hat keinerlei Nebenwirkungen.
Das sagt der Mikronährstoff-Experte Uwe Gröber über Ubiquinol
Uwe Gröber ist Leiter und Gründer der Akademie für Mikronährstoffmedizin in Essen, Autor und Co-Autor zahlreicher Publikationen. Neben seiner medizinisch-wissenschaftlichen Beratungstätigkeit in der pharmazeutischen Industrie ist er aktiv in der Aus- und Weiterbildung von Apothekern, Ärzten und Ernährungswissenschaftlern tätig.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Ubiquinol und Coenzym Q10?
UG: Coenzym Q10, auch Ubiquinon genannt, ist die oxidierte Form. Die reduzierte Form, Ubiquinol, hat eine bessere zelluläre Verwertbarkeit. Bei Patienten in unserer Akademie und in der Krebsklinik in München empfehlen wir immer Ubiquinol, nicht das normale Coenzym Q10 in Form des Ubiquinons. Ubiquinol-Präparate sind häufig in eine Phospholipid-Matrix emulgiert und werden dadurch besser aufgenommen. Ich würde mich in Bezug auf die Qualität und in Bezug auf die zelluläre Verwertbarkeit, auch wenn es etwas teurer ist, immer für Ubiquinol entscheiden.
Wann kommt es zu einem Ubiquinol-Mangel und welche Folgen hat er?
UG: Alle Organfunktionen sind an die Anwesenheit von Ubiquinol gebunden. Jede unserer Körperzellen braucht dieses fettlösliche Antioxidans. In zahlreichen Studien wurde beobachtet, dass bei älteren Menschen im Vergleich zu jungen, der Ubiquinol-Spiegel in Geweben und Organen abfällt. Betroffen sind davon vor allem die Bauchspeicheldrüse, der Herzmuskel und der Thymus, die Schule unseres Immunsystems. Auch Herzmedikamente, die häufig bei erhöhten Cholesterinwerten verschrieben werden – die so genannten Statine – können zu einem Mangel führen und den Bedarf an Ubiquinol steigern. Es ist empfehlenswert, dass man im Alter generell Ubiquinol ergänzend einnimmt, weil man den Bedarf schlecht nur über die Ernährung abdecken kann. Aber auch Sportler und Patienten mit Diabetes, Herzerkrankungen, Muskelbeschwerden, Krebserkrankungen, Migräne oder Morbus Parkinson können von einer Ubiquinol-Einnahme profitieren.
Welche Tagesdosis empfehlen Sie?
UG: Ich würde mich unter vorbeugenden Aspekten an eine Tagesdosierung von etwa 1 bis 2 mg Ubiquinol pro kg Körpergewicht halten. Therapeutisch liegt die Tagesdosis höher, zwischen 3 bis 10 mg pro kg Körpergewicht, so dass man zum Beispiel bei einer Person von 70 kg mit einer Herzerkrankung ohne weiteres auf eine Menge von 200 bis 400 mg Ubiquinol pro Tag gehen kann.
Quellenangaben:
(1) National Institute of Population and Social Security Research: Population projections for Japan (2011-2060)
(2) 2015 Ageing Report, Europäische Kommission
(3) Weber C (2000): Dietary intake and absorption of coenzyme Q. In: V. E. Kagan, P. Quinn (Hg).: Coenzyme Q: Molecular mechanisms in health and disease, CRC Press, 209-215.
(4) Hosoe K (2007): Study on safety and bioavailability of ubiquinol after single and 4-week multiple oral administration to healthy volunteers. Regul Toxicol Pharmacol; 47(1):19-28.
(5) Ikematsu H (2006): Safety assessment of coenzyme Q10 (Kaneka Q10) in healthy subjects: a double-blind, randomized, placebo-controlled trial, Regul Toxicol Pharmacol; 44, 212–218.
(6) Kinoshita T (2016): The Effects of Long-Term Ubiquinol Intake on Improving the Quality of Life of Community Residents. Functional Foods in Health and Disease; 6(1): 16-32.
(7) Tian G (2014): Ubiquinol-10 supplementation activates mitochondria functions to decelerate senescence in senescence accelerated mice. Antioxid Redox Signal; 20(16):2606-20.
(8) Yan J (2006): Reduced coenzyme Q10 supplementation decelerates senescence in SAMP1 mice. Exp Gerontol; 41(2):130-40.
(9) García-Corzo L (2014): Ubiquinol-10 ameliorates mitochondrial encephalopathy associated with CoQ deficiency. Biochim Biophys Acta; 1842(7):893-901.
(10) Yoritaka A (2015): Randomized, double-blind, placebo-controlled pilot trial of reduced coenzyme Q10 for Parkinson’s disease. Parkinsonism Relat Disord; 21(8):911-6.
(11) Durán-Prado M (2014): Coenzyme Q10 protects human endothelial cells from β-amyloid uptake and oxidative stress-induced injury. PLoS One; 9(10):e109223.
(12) Parisi V (2015): Effects of coenzyme Q10 on retinal-evoked and cortical-evoked responses in patients with open-angle glaucoma. J Glaucoma; 23(6):391-404.
Der Artikel erschien im Dezember 2016 im Naturheilkunde Journal und steht Ihnen unten zum Download zur Verfügung.